Ansegeln in Grou Ostern 2017

Zwei Greenhorns in Grouw

Vorbemerkung: Meine Frau Ruth und ich sind erst 2017 in den SCS eingetreten und kennen den Betrieb noch gar nicht. Wer das Folgende also langweilig findet, den bitten wir um Nachsicht.

‚Grou‘ klingt ja erstmal genau wie ‚grau‘. Doch das Städtchen am Rand des Pikmeers präsentiert sich im besten Frühlingslicht. Und unser Watersporthostel ‚Oer’t Hout‘ kommt uns gar nicht so spartanisch vor wie befürchtet. Unser Zimmer hat zwar statt Fenster ein Skylight – aber damit fühlt man sich wie auf einem Schiff. Was das Bett anlangt, ist der Name des Hauses Programm: Man muss ‚über das Holz‘ klettern. Aber unsere Plünnen passen in das geräumige Regal, und die Dusche funktioniert prima, was man nicht mal in jedem Hotel feststellen kann.

Für die Verpflegung sorgt als erstes mal die mobile Fischbude auf dem Marktplatz mit ‚broodjes jonge haring‘. (Den Ausdruck ‚Matjes‘ finden die meisten Niederländer befremdlich, weil er an Fußabstreifer erinnert.) Der VVV gegenüber hat leider zu, aber es soll noch einen geben: am Museum ‚Hert fan Fryslân‘ – ich tu‘ mich immer noch schwer mit der friesischen Sprache. Sie klingt ganz anders als das Limburgische Platt in der Gegend von Roermond, das sich fast wie Solinger Platt anhört. Das Museum samt VVV finden wir im historischen Rathaus des Städtchens am Stationsweg, und in der Nähe gibt es reichlich freie Parkplätze, nämlich am Friedhof.

Später hat uns einer erzählt, im Bergischen hätte es zu Ostern geschneit. Aber davon wissen wir nichts, als wir uns am Gründonnerstag in unsere Offshore-Plünnen einpacken und zur Marina stapfen wie die Astronauten zur Startrampe.    Diese Valken sind mir gleich sympathisch: Am Fuß des Mastes gibt es eine Art Nagelbank, die mich an die Colin-Archer-Ketsch erinnert, mit der ich früher viel unterwegs war. Bei der lagen bis zu 11 Leinen auf den Belegnägeln: 3 Fallen der Vorsegel, Großpiek- und -klaufall, 2 Dirken (für Luv und Lee am Großbaum), Fall, Hals und Schot des Toppsegels und ein umlaufendes Fall für den Flaggenstock des Verklickers. Das sieht hier etwas übersichtlicher aus: Piek- und Klaufall an Steuerbord, Dirk an Backbord, und eine dünne rote Leine für die Rollfock. Ich bin gespannt auf meinen ersten Tag in einer Jolle auf den Friese Meren.

Hui, das geht ab! Bei 4 bis 5 Beaufort aus Südwest saust das Bötchen mit halbem Wind über das ‚Pikmeer‘ in die ‚Tynje‘. Jetzt abfallen – das Steuern vor dem Wind ist fummelig, um keine Halse zu riskieren. Ich bin ziemlich aufgeregt, aber wir haben ja Peter an Bord, eine sichere Bank, wie man so hört. Und das stellt sich auch heraus, nachdem wir in einem der engen Kanäle aufkreuzen. Wenden im 30-Sekunden-Takt. Ruth, meine Frau, hat Spaß an den Fockschoten und kugelt vergnügt durch die Plicht.

Doch kurz vor dem Ufer an Backbord geht eine Wende schief, weil eine plötzliche Bö die Fock back drückt und die Jolle mit dem dichtgeholten Großsegel stark nach der alten Leeseite überholt. Ich rutsche mit dem Hintern ins Wasser und muss die Pinne loslassen. Peter greift ein, haut die Großschot los und dreht eine Q-Wende durch. Alles wieder Okay – so schnell kann’s gehen!

Peter hat uns gerettet. Übrigens ist sein Namenspatron auch der Schutzheilige von Grou. Dies ist nämlich der einzige Ort in Nederland, wo man kein ‚Sinterklaas‘ feiert am 6. Dezember, sondern ‚Sint Piter‘ im Februar.

Die Sint Piterkerk ist auch eine gute Landmarke. Ansonsten ist die Orientierung nicht einfach in dieser Gegend. Egal ob auf den Seen oder im Kanal, man sieht am Ufer hauptsächlich Binsen. Wenn man auf Legerwall dran hängenbleibt, machen sie wenigstens keine Kratzer am Boot. Im Gegensatz zu den Steinen, die stellenweise leider auch dazwischen vorkommen. Ich möchte das Thema hier nicht weiter vertiefen . . .

Ich liebe diesen ‚Koffie verkeert‘ in den niederländischen Restos, bei denen wir zwischendurch festmachen. Die Qualität des Standard-Kaffees ist hier einfach besser als bei uns. Und am Abend, in der Bar des Hostels, gibt es Grolsch, das beste Pils in Nederland. Der freundliche Wirt empfiehlt uns auch mit Erfolg seinen Oude Jenever Namens ‚Olifant‘. ‚Drie keer is scheepsrecht‘ heißt ein bekanntes Sprichwort. Über dem Holz haben wir dann gut geschlafen.

Am Karfreitag war mehr Wind am Tag und mehr Grolsch am Abend. Musik war live und animierte Ruth und mich zum Tango-Tanzen. Hester, die junge Kellnerin an der Bar, sagt: Wenn sie eines Tages mal alt ist, möchte sie so sein wie wir – ein unbezahlbares Kompliment!  Es wird ein langer Abend an diesem Karfreitag in Grou. Aber über das Holz sind wir auch diesmal wieder geklettert.

Florian Hoffmann