Törnbericht: Unter Segeln zur Fussball-WM nach Kaliningrad

Im vergangenen Sommer habe ich an der South Coast Baltic Boating Rally 2018 teilgenommen und bin mit meiner Segelyacht „Seewolf“ von Fehmarn zuerst nach Danzig, dann zur Fußball-WM nach Kaliningrad, und weiter nach Klaipeda/Litauen an der kurischen Nehrung gesegelt. Hier mein ausführlicher Bericht:

Die ersten 350 Seemeilen bis nach Danzig begleitet mich Norbert.  Wir sind nur zu zweit und starten sportlich. Bei westlichen Winden zwischen 5 und 7 Bft. und rollender See bis 2 Metern geht es mit Tagesetappen zwischen 50 und 60 sm über Klintholm und Ystad nach Hasle/Bornholm, wo wir uns die leckeren Bornholmer Räucherheringe nicht entgehen lassen. Es folgt ein Tag Genusssegeln nach Svaneke. Dann nutzen wir das günstige Wetterfenster für die Überfahrt nach Polen.  Knapp 70 Seemeilen sind es bis Ustka/Polen. Von dort geht es in überschaubaren Tagesetappen bis in den Stadthafen von Danzig.

In  Danzig schließen wir uns der South Coast Baltic Boating Rally an, um gemeinsam mit 22 anderen Booten in einer internationalen Flotte zunächst zur russischen Enklave Kaliningrad (Königsberg) und dann weiter nach Klaipeda in Litauen zu segeln. In Danzig sammeln sich die Boote und die Crews. Bei mir gibt es einen Crewwechsel. Vereinskamerad Andy kommt mit seinem Fahrrad über den Ostseeradweg angereist; Peter W. mit dem Mietwagen vom Flughafen. Mit dem polnischen Welcome Evening wird die Rally offiziell eröffnet.

Am nächsten Tag öffnet pünktlich um 4 Uhr in der Frühe die Fußgängerbrücke im Hafen von Danzig, um 22 Segelyachten auf den Weg nach Kaliningrad zu entlassen. Es ist noch nicht ganz hell, der Himmel ist bedeckt, leichter Nieselregen setzt ein, der sich kurz darauf zu einem Gewitter mit Starkregen ausweitet. So haben wir uns die Ausfahrt aus Danzig nicht vorgestellt! Aber stimmungsvoll ist es trotzdem. Nach etwa einer Stunde fahren in die Danziger Bucht ein. Das Gewitter ist durch, der Regen lässt nach, aber der Wind bleibt zunächst aus. Die ca. 75 Seemeilen bis Kaliningrad gestalten sich sehr abwechslungsreich. Wind zwischen O und 4 Bft. aus nahezu allen Richtungen; von SW bis NW und meist so, wie wir ihn gerade nicht brauchen. Von motoren bis zu flottem sportlichem Segeln ist für uns alles drin. Gegen 13 Uhr erreichen wir die russische Grenzstation Baltysk. Hier müssen wir einklarieren. Die Einreise- und Zollformalitäten gestalten sich als problemlos. Da wir als Flottille angemeldet sind, werden wir erwartet und zügig abgefertigt. Von Baltysk müssen wir noch 4 Stunden (20 Seemeilen) durch den Königsberger Seekanal motoren, bis wir um 18:30 abends in Kaliningrad in der sog. Fish-Wharf-Marina am Ufer des Flusses Pregel festmachen.

Es folgen 2 Tage Kulturprogramm zusammen mit den anderen Seglern der Rally. Viel zu schnell müssen wir Abschied nehmen von unseren russischen Freunden, die uns 2 Tage lang begleitet und uns stolz ihre Stadt und ihr Land gezeigt haben. Beim russischen Goodbye-Abend trinken wir zusammen noch einen letzten Wodka und sagen DANKE für das interessante Programm.

Am nächsten Morgen heißt es wieder früh aufstehen, denn wir haben eine lange Segeletappe vor uns. Knapp 120 Seemeilen sind es bis Klaipeda. Um 03:00 Uhr legen wir ab und motoren bei Vollmond aus dem spiegelglatten Königsberger Seekanal Richtung Ostsee. Der Wind kommt zunächst nur sehr schwach, zu schwach zum Segeln. Dann frischt er allmählich auf, 2-4 Bft., erst Ost dann Südost, dann dreht er auf Nord. Konsequent halten wir unser Wachsystem ein. Alle 1,5 Stunden ist Wachwechsel, einer übernimmt das Ruder, einer geht Schlafen und einer bleibt Standby. Wir genießen den schönen, aber langen Segeltag. Mitten in der Nacht, um 02:00 Uhr, nach 23 Stunden auf See, erreichen wir Klaipeda. Wow, wir haben es geschafft! Die Müdigkeit ist verflogen und statt Schlaf in der Koje gibt es bis in die frühen Morgenstunden Wodka und Kaviar im Cockpit.

In Klaipeda haben unsere litauischen Freunde ein tolles Programm für die Teilnehmer der Rally vorbereitet. Bei hochsommerlichen Temperaturen besichtigen wir zunächst zu Fuß die Stadt, fahren dann mit dem Bus entlang der kurischen Nehrung nach Nida, dem Sommerhaus von Thomas Mann und den imposanten Sanddünen. Am nächsten Tag segeln wir bei Starkwind auf einem traditionellen Kurenkahn auf dem kurischen Haff. Abends heißt es dann Abschied nehmen. Die South Coast Baltic Boating Rally 2018 ist zu Ende. Schade. Wir sind toll gesegelt, haben viel gesehen und viele neue Segelfreunde gewonnen. Jetzt trennen sich die Wege.

Bei mir gibt es noch einmal einen Crewwechsel. Mit den Vereinskameraden Siegfried und Peter B. wollen wir zu dritt zurück nach Fehmarn segeln. Wir starten mit einer Gewaltetappe: 113 sm, 23 Stunden, immer hart am Wind und mit viel Welle; anfangs dichter Nebel, später bedeckt, dann eine dunkle Nacht. Nach anspruchsvoller Fahrt erreichen wir morgens um 8 Uhr den grossen Fischereihafen Wladyslowowo in Polen. Gleich am nächsten Tag geht es weiter. 60 sm, 12 Stunden, aufkreuzen gegen den Wind, der uns mit 5-6 Bft. immer von vorne auf die Nase bläst. Dazu 2 Meter Welle von querab, die uns und Seewolf ordentlich durchschaukelt. Danach haben wir uns erst einmal eine Pause verdient. Wir gönnen uns 2 Erholungstage in Leba und machen einen Ausflug zu den imposanten Wanderdünen im Slowinski-Nationalpark. Auf unserem weiteren Rückweg entlang der polnischen Küste steigt der kulinarische Genuss. In jedem Hafen kaufen wir frischen Dorsch, den die Skipperin mit tatkräftiger Unterstützung der Crew abends in der Pantry zubereitet. Über Swinemünde, über Lauterbach/Rügen, Stralsund, Barhöft und Gedser (DK) geht es zurück nach Fehmarn, wo der insgesamt 6-wöchige Sommertörn endet.

Highlights:

  • Anspruchsvolle lange Segeletappen (incl. Nachtfahrten) mit kleiner Crew
  • Das Gemeinschaftserlebnis Flottillensegeln mit internationaler Beteiligung, das uns fremde Kulturen näher gebracht und viele neue Segelfreunde beschert hat
  • Auf eigenem Kiel zur Fussball-WM nach Kaliningrad
  • Zeit für Landausflüge; Kultur, Natur und gutes Essen
  • Und viel, viel Spass………

Ganz lieben Dank an meine Mitsegler. Bis zum nächsten Segelsommer…….

Renate