Im vergangenen Sommer ist unser Vereinsmitglied Renate mit ihrer Segelyacht „Seewolf“ auf der westpommerschen Segelroute entlang der polnischen Küste bis ins Stettiner Haff gesegelt. Begleitet wurde sie auf den verschiedenen Etappen von fünf Vereinskameraden. Hier ihr ausführlicher Bericht:
Ende Juli entfliehe ich der Hitzewelle im Rheinland und fahre mit Siegfried und Carsten gen Norden. Start des Sommertörns 2019, der mich mit wechselnden Crews von Fehmarn über Bornholm und die polnische Küste auf der westpommerschen Segelroute bis ins Stettiner Haff führen soll.
Kurs Ost also. Dumm nur, dass sich auf der Ostsee eine stabile Ostwetterlage aufgebaut hat, die uns für eine Woche Starkwind aus Ost voraussagt. Mmmmm….
Dann starten wir doch erst mal Richtung West; wir haben ja Zeit. Bei Windstärken von konstant 6-7 Beaufort schiessen wir mit gerefften Segeln zunächst westwärts zur Insel Langeland, dann Kurs Nord zur Insel Agersö und weiter durch das Smalandfahrwasser nach Stubbeköbing. Sportlich anspruchsvolles Segeln vom Feinsten. Wir sind im Segel- und im Geschwindigkeitsrausch; testen auch den neuen Autopiloten mit der Windsteuerungsfunktion und sind begeistert. Er steuert sicher durch alle Böen und Winddreher, selbst bei 7 Bft. Wind und 2 Meter Welle. Solide Leistung. Wir taufen ihn auf den Namen „Angie“.
Als wir nach vier Tagen in Klintholm auf der Insel Mön ankommen, ist das Teakdeck salzverkrustet. Die Spinnenkolonie, die „Seewolf“ auf Fehmarn in Abwesenheit der Skipperin geentert hatte, ist salzgepökelt. Wir starten eine gross angelegte Säuberungsaktion und spülen die Salzleichen von Bord. Den Spinnen, welche die Pökelaktion unbeschadet überstanden haben, rücken wir mit anderen Mitteln zu Leibe. Wirksam, wie sich am nächsten Morgen zeigt: Massensterben im Yachthafen von Klintholm ?.
Bei immer noch starkem Ostwind geht es weiter über Ystad nach Bornholm, wo wir unseren ersten Crewwechsel haben. Mit der neuen Crew nisten wir uns auf der Ostseite von Bornholm, in Svaneke, erst mal für zwei Tage ein und geniessen den dänischen Sommer.
Am 4. August startet in Svaneke die SOUTH COAST BALTIC Boating Rally 2019. 28 Boote segeln in einer internationalen Flotte zuerst zur polnischen Küste, nach Darlowo, Kolberg und Swinemünde und dann auf der westpommerschen Segelroute ins Stettiner Haff bis nach Stettin und weiter über den Peenestrom und den Greifswalder Bodden nach Krummin, Greifswald und Kröslin.
Ein Highlight jagt das nächste: Welcome Party in Svaneke, Barbecue-Abende in Polen mit leckeren polnischen Spezialitäten und polnischen Shanties, „beer by the boats“, Fahrradtouren auf Usedom, Besuch der Kaiserbäder, Sektempfang auf der historischen Seebrücke in Ahldorf, deutsch-polnische Beachparty, zwei Tage Feuerwerksfestival in Stettin, und, und, und…..
„Seewolf“ avanciert zum Superstar und ist gefragtes Motiv für das morgendliche Fotoshooting. Da nehmen die Skipperin und ihre Crew es gerne in Kauf, schon um halb 6 Uhr morgens die warmen Kojen zu verlassen um pünktlich zum Sonnenaufgang vor den Molenköpfen ein Wasserballett der besonderen Art zu präsentieren. Die Regieanweisungen kommen per Funk an die bei einer steifen Brise unter voller Besegelung dicht beieinander segelnden Yachten: auf das Kommando „Tack“ leitet das Trio synchron die Wende ein – perfekt. Weiter geht es auf Gegenkurs bis zum nächsten „Tack“….. „Tack“…. „Tack“… Und über allem schwebt die Drohne mit der Kamera.
Wir lassen es uns nicht nehmen, den interessierten Zuschauern ein Hafenkino der besonderen Art zu präsentieren. In Swinemünde steigt Andy in den 20 Meter hohen Mast, weil der defekte Windgeber repariert werden muss. Die Reparatur ist nur teilweise erfolgreich. Zwar wird die Windstärke jetzt wieder angezeigt, aber die Windrichtung stimmt nicht mehr. So ein Mist. Und so darf in Stettin auch die Skipperin noch einmal Höhenluft schnuppern und sich als Fotomotiv in der Mastspitze präsentieren.
Gesegelt sind wir selbstverständlich auch; und zwar – wie könnte es anders sein – zuerst zu wenig Wind, dann (fast) zu viel Wind, und der (natürlich) meist gegenan. Jetz würden wir uns den Ostwind wünschen, gegen den wir auf unserem Zubringertörn nach Bornholm angekämpft haben. Aber Rasmus hat trotz grosszügiger Opfergaben kein Erbarmen: Starkwind aus West/Südwest; und das heisst weiter gegenan…..
Bei der Abschiedsparty in Kröslin kommt etwas Wehmut auf. Die vergangenen 12 Tage haben die Crews zusammengeschweisst. Noch einmal gibt es ein üppiges Barbecue, Bier und Live-Musik sowie eine Fotoshow mit einer Auswahl der schönsten Fotos von der Rally.
Danach geht alles ganz schnell. Von Kröslin schiessen wir über den Greifswalder Bodden nach Stralsund. Wind 6 Bft. aus Südwest, bedeckt, später Regen, kühl. Als Belohnung für unsere schnelle Fahrt müssen wir über zwei Stunden auf die Öffnung der Ziegelgrabenbrücke warten und fahren mit unserem Track Strickmuster auf die elektronische Seekarte.
In Stralsund gehen Peter und Brigitte von Bord. Wir sind jetzt nur noch zu zweit, aber es sind ja auch nur noch drei Etappen. Wieder viel Wind, wieder schnell. Auf den letzten 27 Seemeilen von Kühlungsborn nach Fehmarn kratzt „Seewolf“ bei Windstärke 6-7 Bft. aus Südwest permanent an seiner Rumpfgeschwindigkeit. Das mag er nicht und wird zunehmend schwer steuerbar. Wir haben ein Einsehen und gehen ins 3. Reff. „Seewolf“ dankt es uns und rauscht nur unwesentlich langsamer auf den Heimathafen zu.
Schön war’s und ein herzliches Dankeschön an meine Crew.
Renate
Der Törn von Renate wurde beim Fahrtenseglerwettbewerb 2019 des Seglerverbandes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.