Sommertraum Schweden – Klischee trifft Wirklichkeit

Erlebnisbericht über eine 100% schwedische Saison 2015 von Renate Schüller.

Schweden – das ist Pippi Langstrumpf, Nils Holgersson mit den Wildgänsen, die rot angemalten Häuser der Kinder aus Bullerbü. 021_P1040376Schweden – das sind lange helle Sommernächte und das traditionelle Mittsommernachtsfest. Schweden – das ist unberührte Natur, jede Menge Wasser, wilde Schärenküste und über 200.000 Inseln, die es zu erkunden gilt. Mein Ziel für diesen Sommer ist die schwedische Ostküste, die  Schären, Stockholm und die Åland-Inseln. Ich habe mit Seewolf ein zuverlässiges und komfortables Schiff zur Verfügung und ein großzügiges Zeitfenster von 3 Monaten. Dazu eine Reihe netter Segelfreunde, die mich auf den verschiedenen Etappen begleiten wollen. Was will ich mehr?025_P1040630

Start ist Anfang Juni auf Fehmarn. Die Nächte sind noch kalt – die Tage auch. Bei konstantem Wind zwischen 4 und 6 Beaufort aus Südwest machen wir erst mal ordentlich Strecke. Klintholm – Ystad- Bornholm; 160 Seemeilen in 3 Tagen. Dann ein „Ruhetag“ auf Bornholm; Inselrundfahrt mit den Fahrrädern. Weiter nach Kalmar; 2 Tage – 120 Seemeilen. Es läuft gut.

In Kalmar wird die Crew aufgestockt. Zu dritt wollen wir in den kommenden 2 Wochen bis nach Stockholm segeln. Wir machen noch einen kurzen Abstecher zur Insel Öland, wo die schwedische Königsfamilie ihre Sommerresidenz hat. Dann geht es zurück zum Festland. In Fiegeholm beginnt die Schärenküste. Hier leiten wir den Sommer ein: es wird zu ersten Mal gegrillt und zum ersten Mal in der Ostsee gebadet. 13 Grad Wassertemperatur – ganz schön erfrischend!!! In den kommenden Tagen gleiten wir bei Raumschotkurs und moderatem Wind meist nur unter Genua genussvoll durch die wunderschöne Schärenlandschaft. Wir laufen beschauliche kleine Häfen an oder ankern in malerischen Buchten. Und – ganz schwedentypisch – werfen den Heckanker und gehen mit dem Bug direkt an die Felsen. Die Landleinen werden an Bäumen festgemacht. Wir genießen die unberührte Natur und das sorgenfreie Leben an Bord. Nachts wird es nicht mehr richtig dunkel und morgens um halb 3 scheint schon wieder die Sonne. Leider fällt die wilde Mittsommernachtsparty, auf die wir uns so gefreut haben, ins Wasser – 3 Tage Regen. Egal, wir machen das Beste draus und haben auch so unseren Spaß. Nach insgesamt 3 Wochen und 600  Seemeilen laufen wir am 23. Juni unter Segeln in Stockholm ein. Perfekt. Besser hätte es nicht sein können.

Anfang Juli geht es weiter. Kurs Nord – Ziel Åland-Inseln, die autonome Inselgruppe zwischen Schweden und Finnland. Wir lassen uns Zeit. Tingeln noch etwas durch die Stockholmer Schären. Ganz entspannt. Sommer, Sonne, Nichtstun. Lesen, Schwimmen, Faulenzen. Dann mal wieder ein Stück segeln. In die nächste Ankerbucht, in den nächsten kleinen Hafen. Wir tun das, was alle Schweden hier im Sommer tun: wir lassen uns treiben. Nach einer kurzen Wetterstörung mit 2 Tagen Starkwind tut sich ein perfektes Wetterfenster auf für die Überfahrt zu den Åland-Inseln. Wir starten um 4 Uhr morgens mit der aufgehenden Sonne. Zunächst ist es noch fast windstill. Dann nimmt der Wind langsam zu, steigert sich fast unmerklich von zunächst 2 auf fast 6 Beaufort und Seewolf schießt mit voller Besegelung auf Raumschotkurs den Ålands entgegen. Eine traumhafte Überfahrt. Erste Station auf den Ålands ist Rödhamn, eine kleine Insel mit einer ganz besonderen Atmosphäre. Hier gibt es keinen Strom, kein fließendes Wasser, und nur Trockenklos. Morgens werden die frisch gebackenen Brötchen zum Schiff gebracht; pünktlich um 8 Uhr liegt die Brötchentüte mit dem handschriftlichen Tages-Wetterbericht auf dem Schiffsbug. Das ist mal ein Service!  An Land gibt es Schlangen und riesige Seezeichen aus der Zarenzeit, auf die man, wenn man schwindelsicher ist, über eine schmale Eisenleiter hoch klettern kann. Hier ist es einfach nur schön. Von Rödhamn segeln wir weiter nach Mariehamn, der Hauptstadt der Åland-Inseln. 60 Grad Nord. Wow! Etappenziel erreicht.

Auf dem Rückweg von den Åland-Inseln nach Stockholm machen wir Station auf der Insel Arholma. Arholma gefällt uns. Die Natur, die Ursprünglichkeit, das kleine Saunahäuschen am Waldrand neben dem beschaulichen Naturhafen, wo man das Holz zum Einheizen des Saunaofens erst selbst hacken und spalten muss. Auch hier gibt es keinen Strom und auf der ganzen Insel nur Trockenklos. Auch hier ist es einfach nur schön. Gerne würden wir noch länger auf Arholma bleiben, doch die See ruft wieder. Über Lidö, Möja und Säck segeln wir nach Sandhamn, dem Segelmekka Nordschwedens. Kontrastprogramm. Hier ist Betrieb; nix mehr mit Einsamkeit. Und die Sauna wird auch nicht mit Holz, sondern elektrisch geheizt. Zurück in der Zivilisation. Trotzdem schön. Wir sitzen auf den hohen Felsen am Ortseingang und beobachten die ein- und auslaufenden Schiffe. Morgen fahren auch wir hier raus. Zurück nach Stockholm.

Mittlerweile ist es Anfang August und der Sommer ist endgültig angekommen in Schweden. Das Ostseewasser wird immer wärmer, die Ankerbuchten sind voll, und mit Einbruch der Dämmerung fallen die lästigen Moskitos über uns her. Auf dem Wasser tummelt sich eine bunte Mischung von Ausflugsdampfern, großen und kleinen Segelbooten, Motorbooten und Jetskis. Ganz Schweden ist auf dem Wasser und in Stockholm sind jetzt nur noch Horden von Touristen. Die aktuelle Crew erlebt eine Woche Genusssegeln pur in den Stockholmer Schären. Bei idealen Wetterbedingungen können wir sogar von Sandhamn in die äußeren Schären hinausfahren. Hier gibt es nur noch Wasser und kahle Felsen. Eine wahrlich faszinierende Landschaft. Eine Woche tolles Wetter, tolles Segeln, tolle Ankerplätze; wer braucht da noch das Mittelmeer? Allmählich werden die Tage wieder kürzen und die Nächte länger; Zeit, an den Rückweg zu denken.

Wir lassen es ruhig angehen. Die neue Crew spielt sich ein. Bei wechselnden Bedingungen, mal mehr Wind, mal weniger Wind, mal Sonne, mal Regen, üben wir Wenden und Halsen und segeln dabei relativ entspannt von Insel zu Insel, immer ein Stück weiter nach Süden. Als alle Handgriffe sitzen, kommt der angesagte Ostwind. 4 Tage strammer Ostwind bis 6 Beaufort und wir schießen mit Groß und Genua im 3. Reff auf Halbwindkurs durch das enge Schärenfahrwasser. So dicht an den Felsen und den ausgebrachten Seezeichen vorbei, dass wir sie fast anfassen können. Huii, huii, huii. Die Speed-Crew gibt alles und knackt jeden Tag einen neuen Geschwindigkeitsrekord. Auf den letzten 20 Seemeilen von  der Insel Öland nach Kalmar werden wir ausgebremst. Ein Hauch von Wind, nur 1-2 Beaufort von achtern – die Wiederentdeckung der Langsamkeit. Mit ausgestelltem Groß und Bullenstander hungern wir uns auf dem spiegelglatten Karmarsund Richtung Süden. Die Speed-Crew übt sich in Geduld….

Die letzte Etappe von Kalmar zurück nach Fehmarn fordert noch einmal alles von der Skipperin und ihrer Crew. Ambitioniertes Segeln über Karlskrona bis zur Insel Hanö. Dort müssen wir einen unplanmäßigen technischen Stopp einlegen. Nix los hier. Die Sommergäste sind weg, der einzige kleine Laden auf der Insel ist fast leer und verkauft nur noch seine Restbestände. Die wenigen Segler in dem kleinen Hafen sind alles Deutsche auf dem Rückweg zu ihren Heimathäfen. Sie nutzen den optimalen Wind für den Südwestkurs, während wir auf unser Ersatzteil warten. Nichtstun ist angesagt. Pünktlich mit der Lieferung des neuen Steuerseils dreht der Wind auf Südwest und frischt auf. Für die nächste Woche ist Sturm angesagt. Na prima, das kann ja heiter werden. Bis Fehmarn liegen noch etwa 240 Seemeilen vor uns. Zeit, dass wir hier weg kommen. Bei zunehmenden Winden schaffen wir es in 2 Tagesetappen schon mal bis Ystad. Dort gibt es einen weiteren unplanmäßigen Zwischenstopp. Zu viel Wind. Wir sitzen fest und studieren die Wettervorhersagen. Als sich ein kleines Wetterfenster auftut, wagen wir den Absprung. Wollen zur Insel Møn und dann weitersehen. Aber der Wind spielt mit uns. Kurs Møn ist nicht zu halten. Wir disponieren um und bereiten uns auf eine Nachtfahrt nach Warnemünde vor. Es folgt eine traumhafte Nacht unter voller Besegelung. Und weil es so schön ist und der Wind in den Morgenstunden wieder ordentlich auffrischt, fahren wir gleich durch bis Fehmarn. Nach 31 Stunden und 141,5 Seemeilen nonstop auf See erreichen wir am frühen Nachmittag den schützenden Yachthafen von Burgtiefe. Nur 2 Stunden später ist der Sturm da und bläst 2 Tage lang mit angesagten 7-8 Beaufort. Da haben wir wohl alles richtig gemacht.

In Burgtiefe/Fehmarn geht der Segel-Sommertraum Schweden 2015 zu Ende. 1650 Seemeilen, von denen ich keine einzige missen möchte. Seewolf kommt ins wohlverdiente Winterlager und die Skipperin fährt nach Hause und träumt schon vom nächsten Segelsommer. Geplante Route für 2016: Ostsee linksherum; Polen, Riga, Tallin, Helsinki, Turku, Åland-Inseln, Stockholm….. Es sind noch Kojen frei…… Bei Interesse bitte melden.

Renate

www.sy-seewolf.de