Unser Vereinsmitglied Renate ist im letzten Sommer mit ihrer Segelyacht „Seewolf“, einer Hallberg Rassy 42 F, entlang der westschwedischen Schärenküste bis nach Oslo/Norwegen gesegelt. Hier ihr ausführlicher Bericht:
Der Sommertörn 2022 soll mich nach Oslo führen. Acht Wochen, insgesamt zwölf Mitsegler auf fünf Etappen, gut 1000 Seemeilen, viel Wind, wenig Wind, einige technische Pannen, aber immer gute Laune und viel Spaß.
Etappe 1: Fehmarn – Göteborg
Nach sommerlichen Mai-Tagen im Rheinland holt uns Anfang Juni auf der Ostsee der Winter wieder ein. Temperaturen nur knapp im zweistelligen Bereich, nachts zum Teil noch kälter. Kalter Wind, kalte Nasen, kalte Hände, kalte Füsse, … alles ist kalt. Sonne auf Samsö und auf Anholt, Regen und Starkwind in Kerteminde und auf Donsö. Aber der Wind ist gut, richtig gut. „Seewolf“ pflügt mit voller Speed durch das Kattegatt und Crew 1 hat ihren Spaß. Wenn es nur nicht so kalt wäre. Unterwegs wärmen wir uns mit heißem Tee und heißen Suppen und abends mit Fleece-Decken, gutem Essen und der Webasto-Heizung. Nach 275 Seemeilen in acht gemeinsamen tollen Segeltagen gehen die Vereinskameraden Peter B. und Carsten in Göteborg von Bord und ich warte auf die nächste Crew, die mir ein neues Handy mitbringen soll. Denn das alte hat leider in Grenaa/DK den freien Fall auf die Steine nicht überlebt. Dumm gelaufen…
Zubringeretappe nach Ellös
Die Etappe von Göteborg nach Ellös waren als reiner „Mädelstörn“ geplant. Zusammen mit Vereinskameradin Antje wollte ich zwei bis drei Tage gemütlich durch die westschwedischen Schären tingeln. Doch leider kam es anders. Antje erkrankt an Corona und muss absagen. Segelfreund Burkhard erklärt sich spontan bereit, nach Göteborg zu kommen und mich nach Ellös in den westschwedischen Schären zu begleiten. Ankunft Mittwoch Mittag. Nur eine halbe Stunde später legen wir ab. Segeln zu zweit mal eben noch gut 40 Seemeilen Richtung Norden. Zuerst genussvoll unter Schmetterling im geschützten Schärenfahrwasser. Dann bei zunehmendem Wind 5-6 Bft. und 2 Meter Welle querab raus aufs offene Wasser und ab geht die Post. „Seewolf“ pflügt mit gerefften Segeln durch die See. Wir kriegen das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Herrlich. Wir ankern in einer kleinen Bucht und von dort ist es am nächsten Morgen nur noch ein Katzensprung bis Ellös.
Hallberg-Rassy Rally 2022
Über 40 Hallberg-Rassys treffen sich traditionsgemäß Mitte Juni bei der Hallberg-Rassy-Werft in Ellös um gemeinsam Mittsommer zu feiern und an der jährlichen Hallberg-Rassy-Regatta teilzunehmen. Ob alt, ob neu, ob groß, ob klein; jede HR-Yacht darf mitmachen. Denn hier geht es nicht um den Sieg oder um irgendwelche Rekorde, sondern um den Spaß. Den Spaß am Segeln, den Spaß am feiern, neue Freunde kennen lernen, gemeinsam klönen, essen, trinken, Erfahrungen austauschen, usw. Sieger sind wir ohnehin alle. Und kleine technische Pannen wie ein ausgerissener Umlenkblock für das Rollgroß oder ein geplatzter Warmwasserschlauch werden mit Bordmitteln kreativ gelöst.
Etappe 2: Ellös – Oslo
Mit den Segelfreunden Stefan und Ralf geht es von Ellös nach Oslo. Ein traumhafter Törn durch die wunderbare Schärenlandschaft Westschwedens. Vorbei an kleinen bunten Ortschaften, unzähligen Inseln, kahlen Felsen, die im Sonnenlicht rötlich schimmern und auf denen kleine Leuchttürme stehen, die den richtigen Weg weisen. Die Navigation hier ist sehr anspruchsvoll und erfordert höchste Aufmerksamkeit. Aber dank sorgfältiger Routenplanung, einer gewissenhaften Analyse der täglichen GRIB-Wetterdaten und einer guten Steuerleistung segeln wir stets sicher, auch bei viel Wind, abwechselnd durch schmale Fahrwasser und über das offene Wasser des Skagerrak. Wir ankern in kuscheligen Ankerbuchten und machen einen Abstecher zu den unter Naturschutz stehenden Koster-Inseln. Wir segeln super und die Vorfreude auf Oslo steigt. Dort ist bei herrlichstem Hochsommerwetter erst mal drei Tage Sightseeing angesagt.
Etappe 3: Oslo – Göteborg
Etappe 3 von Oslo zurück nach Göteborg ist eine besondere Herausforderung für mich. 220 Seemeilen mit zwei Segelanfängern. Nichte Dana war zwar schon einmal mit an Bord, aber ihr Freund Alex ist das erste Mal überhaupt auf einem Segelboot. Wir hangeln uns zwischen Starkwind und Flaute Richtung Süden. Wir haben geankert, gegrillt, sind im kalten Wasser geschwommen und auf den Felsen gewandert. Wir sind durch den Hamburgsund, den schmalen Sotekanal und das Innenfahrwasser hinter den Inseln Orust und Tjörn gefahren und haben uns an der schönen Landschaft erfreut. Ganz nebenbei hat Crew 3 alle Warmwasserschläuche auf dem Schiff stillgelegt und eine neue Pumpeneinheit für die Toilette eingebaut. Damit liegt sie im Wettstreit der Crews um die Auszeichnung im Wettbewerb „Pleiten, Pech und Pannen“ auf aussichtsreicher vorderer Position. ?
Etappe 4: Göteborg – Ebeltoft
Crew 4 war die Crew, die den meisten Wind abbekommen hat. Schon der erste Tag in Göteborg musste abgewettert werden. Das war aber nicht so schlimm, denn die Vereinskameraden Andy und Peter W. waren noch gar nicht eingetroffen. Die mussten bei ihrer Anreise wegen Verspätung der Bahn eine Zwischenübernachtung in Malmö einlegen. Das haben wir auf der ersten Etappe zur Insel Laesö natürlich alles aufgeholt. Sind bei Nordwind 5-6 Bft. und 2 Meter Welle querab mit gerefften Segeln die 47 Seemeilen über das Skagerrak mal eben in 8 Stunden rüber geschossen. Geiler Segeltag mit einer erfahrenen Crew.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Hals am Eingang des Limfjords, 36 sm, und dann nach Grenaa an der jütländischen Küste, 43 sm. In Grenaa war dann erst mal drei Tage Zwangspause. Eingeweht. Sturm in allen Seegebieten, besonders im Skagerrak und Kattegatt. Kurz bevor wir den Hafenkoller kriegen öffnet sich ein kleines Wetterfenster, das uns die Weiterfahrt nach Ebeltoft/Oer ermöglicht. Da wollten wir zwar nicht hin, denn unser Ziel für den nächsten Crew-Wechsel ist eigentlich Arhus. Aber Arhus wäre bei 6 Bft. Wind gegenan und hackiger See nicht zu erreichen gewesen. Die enge Zufahrt zu der kleinen Schleuse von Oer ist bei stürmischem Wind querab schon tricky genug. Und so bleiben wir in Oer. Der Wind heult weiter, „Seewolf“ schaukelt in der sicheren Box und ich schlafe nachts nur noch mit Ohropax, weil ich das permanente Heulen des Windes bald nicht mehr hören kann. Zeit, dass sich die stürmische Wetterlage endlich beruhigt. Vielleicht kommt Crew 5 ja in den Genuss von moderaten Westwinden.
Etappe 5: Ebeltoft/Oer – Fehmarn
Die Oldie-Crew mit den Vereinskameraden Siegfried und Christian darf auf dem Weg nach Fehmarn zwei echte Hochsommertage erleben. Hochsommer in Marup auf Samsö und wüstenartiger heisser Wind auf dem Weg nach Middelfart im kleinen Belt. Aber auch Crew 5 bekommt ihren Hafen Sturmtag. Seglerisch kommen die „Oldies“ am darauf folgenden Tag voll auf ihre Kosten. Knapp 50 Seemeilen auf Halbwindkurs bei böigem Westwind von 6 Bft. Heissa. Da lassen wir unser Tagesziel Marstal spontan links liegen und segeln gleich durch bis Bagenkop. Bei unserer Ankunft bläst es dort mit 7 Bft. und wir sichern uns einen windgeschützten Platz im Fischereihafen. Das dazu passende Aroma gibt es gratis dazu. Von Bagenkop bis Fehmarn sind es nur noch knapp 40 sm. Der Wind hat sich wieder beruhigt und die Sonne ist auch wieder da. So segeln wir genussvoll Richtung Fehmarnsundbrücke und in den Heimathafen Burgtiefe auf Fehmarn. Ein schöner Abschluss des Segeltörns 2022.
EIN HERZLICHES DANKESCHÖN MEINEN MITSEGLERN !
Renate
Für ihre dokumentierte segelsportliche Leistung wurde Renate mit ihrer Crew beim Fahrtenseglerwettbewerb des Seglerverbandes NRW ausgezeichnet.